Hermann Zapf 1918–2015
Letzte Woche starb Hermann Zapf im Alter von 96 Jahren. Sein Name ist untrennbar mit Schriften wie der Palatino, Optima oder Zapfino verbunden. Selbst typografisch nicht bewanderte Menschen kennen doch wenigstens die Piktogramme seiner Zapf Dingsbats. Insgesamt gehen über 200 Schriften auf den typografischen Altmeister zurück.
In der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg aufgewachsen, begeistert sich der immer zu Streichen aufgelegte junge Zapf schon früh für Elektronik. Um beim heimlichen Lesen unter der Bettdecke rechtzeitig vor den Eltern gewarnt zu werden, bastelt er zusammen mit seinem vier Jahre älteren Bruder so manche Alarmanlage. Eine Ausbildung zum Elektroingenieur scheint die logische Folge zu sein. Im Nationalsozialismus findet Zapf aber auf Grund des gewerkschaftlichen Engagements seines Vaters keine Leerstelle und beginnt letztendlich eine Ausbildung als Retuscheur. Eine Ausstellung über die Schriften von Rudolph Koch fasziniert ihn so sehr, dass er sich selbst die Kalligrafie beibringt. Schnell fällt in der Ausbildung seine Begabung für sehr kleine typografische Details auf. Da ihm jetzt aber die Erfahrung im eigentlichen Aufgabenbereich fehlt, beschließt er die Abschlussprüfung nicht abzulegen, sondern eine Anstellung in Frankfurt bei Paul Koch, dem Sohn von Rudolph Koch anzunehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet Zapf als Grafiker und Kalligraf und mit der Palatino (1949) und der Optima (1958) erscheinen zwei seiner bekanntesten und bis heute populären Schriften.
Weniger bekannt ist dagegen, dass Zapfs technische Begeisterung ihn sehr früh in Kontakt mit den ersten Computern bringt und nach elektronischen Hilfen beim Schriftsatz suchen lässt. Da seine Ideen im Deutschland der 1960er-Jahre auf wenig Resonanz stoßen, beginnt Zapf zunächst in Vorträgen, später auch in Lehrveranstaltungen seine Vorstellungen in den USA zu diskutieren. Ende der 1970er-Jahre gründet er zusammen mit seinen Freunden Aaron Burns und Herb Lubalin (beides Gründer von ITC) ein eigenes Unternehmen, das sich dem elektronischen Satz verschrieben hat und mit einigen Veränderungen bis 1991 besteht.
Nachdem die neue Technik auch in Deutschland populärer wurde, beginnt Hermann Zapf in den 1980er-Jahren zusammen mit der URW Software und Type GmbH die Entwicklung eines anspruchsvollen Satzprogramms, dem HZ-Programm. Später von Adobe übernommen, verrichten noch heute einige der damals entwickelten Algorithmen in InDesign ihre Arbeit.
Sein Wunsch mit einer digitalen Schrift den Qualitäten einer handgeschriebenen Kalligrafie nahe zu kommen, muss aber noch einige Jahrzehnte warten. 2003 erscheint die Zapfino Extra, die mit Hilfe der in den 1990er-Jahren entstandenen OpenType-Technik automatisch über Buchstabenvarianten ein stimmiges Schriftbild erstellen kann.
Ende der 1990er-Jahre beginnt Zapf auch mit Unterstützung von Linotypes Typedirector Akira Kobayashi seine alten Schriften zu überarbeiten. Für beide geht damit ein Traum in Erfüllung. Zapf kann, wie er sagt, alte Fehler korrigieren und Kobayashi, der über ein Büchlein von Zapf seine Liebe zur lateinischen Typografie entdeckt hat, kann mit seinem Idol zusammenarbeiten.
Bild: Martin Joppen
An einer Feier von Linotype zu Zapfs Geburtstag im November 2005 hatte ich die Ehre als Journalist teilnehmen zu können. Zapfs Freunde bekamen einer nach dem anderen die Gelegenheit, ihre kleinen und persönlichen Geschichten zu erzählen. Kobayashi berichtet von einem unermüdlichen Arbeitseifer des damals 87-Jährigen am Computer auf dem Stehpult, einer strikt auf 20 Minuten begrenzten Mittagspause und unzähligen Last-Minute-Korrekturen des „Adlerauges“. Alle natürlich mit Berechtigung und der Verbesserung des finalen Produktes dienlich. Begeistert hält Kobayashi auch die sehr starke Vergrößerung einiger Anmerkungen auf einem Korrekturfax in die Höhe. Trotz winziger Schrift eine unglaubliche Präzision.
In den Genuss der, in einer zapfinoähnlichen Handschrift verfassten, Anmerkungen kam übrigens jeder, der mit Zapf kommunizierte. Trotz seiner Technikbegeisterung wollte er sich in seinem Alter nicht mehr an die neue Technik der eMail gewöhnen und so war das Fax seine bevorzugte Art des Austausches.
Ich habe Hermann Zapf nur wenige Male persönlich erleben dürfen. Er bleibt mir als ein immer freundlicher, sehr aufgeschlossener ruhiger Mann in Erinnerung. Lachfältchen um die Augen strahlen eine Begeisterung aus, die auch im hohen Alter noch immer an den einstigen Alarmanlagenbauer erinnert.
Besser als jeder Nachruf erzählt die Autobiografie aus dem Leben von Hermann Zapf. Gefüllt mit vielen Berichten von Weggenossen, gibt das 2007 erschienene Buch „Alphabetgeschichten – Eine Chronik technischer Entwicklungen“ Auskunft über sein Leben [Pressemitteilung von Linotype zur Veröffentlichung]. In dem exklusiv für Linotype entstandenen Buch kamen erstmals die Palatino Nova und die neue Palatino Sans zum Einsatz. Leider ist das Buch nie im Handel erschienen, bei Linotype nicht mehr erhältlich und damit höchstens antiquarisch zu bekommen.
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